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Sunday, September 25, 2011
Ein Baum namens Johann
Der Baum namens Johann
Johann war ein Häuslerbub. Ärmer ging's kaum. Noch schlimmer, von Vater keine Spur. Ein Bankert. Kein Geld für Schuhe. Wo nichts ist kommt nichts hin. Im Sommer ging er immer barfuß, in die Schule, Im Winter mit merkwürdigen Socken und Stallschlapfen. Einmal ist er ausgerutscht. Da hat er sich den Unterschenkel gebrochen. Geld für den Arzt war nicht und auch sonst nicht viel Fürsorge. So wuchs das Bein eben von alleine zusammen. Mit Kindern spielte er nie. Er hat's probiert. Früher. Da haben sie ihn weg gestoßen. Mit einem bankerten Häuslerbuam spielen sie nicht. Er war sehr gelehrig in seiner Armut. Auf Menschen zu zu gehen ist falsch. Sie stoßen Dich weg und es schmerzt. Wo nichts ist kommt nichts hin.
Alles war vorgezeichnet: Schulabbruch, versaute Lehrstellen, Kleinkriminalität, Suff, schlimme Beziehungen, früher Tod, vielleicht gewaltsam. Wo nix is kimmt nix hi.
Aber es kam ganz anders. Ganz ganz anders. Der Bub macht zwar keinen vernünftigen Schulabschluss, brachte es aber trotzdem zu einer Lehre und war bald der Beste. Er wurde älter und war immer noch besser. Als der Alte kinderlos starb, erbte er den großen Betrieb. Er führte ihn erfolgreich und verkaufte ihn dann, kurz bevor alles den Bach hinunter ging zum Bestpreis an die Agrarmafia. Die fluchen heute noch auf ihn. Mit dem Geld kaufte er Häuser und vermietete sie. Mit der Miete kaufte er Häuser und vermietetet sie. Dann hatte er hundert. Dann Grundstücke an strategischen Punkten. Dann wurden Straßen gebaut. Dann waren es hunderte Häuser. Dann war er der König im Tal. Aber er war immer noch der bankerte Häuslerbub. Sie schnitten ihn. Ein König ohne Volk. Er baute das prächtigste Haus weit und breit. Zur Einweihung hatten sie keine Zeit. Er kaufte die Alm, die man vom Tal aus auf der andern Seite bei den hohen Bergen von weitem sieht. Alle wussten es. Das war seine Alm, sein Mahnmal, sein Zeichen an sie. Wo nix is kimmt nix hi. Wie kann denn da was hinkommen, sagten sie.
Ein ganz gestandener Mann. Ganz selten kam immer noch der bankerte Häuslerbub durch. Dann starb er plötzlich.
Beim Begräbnis waren alle da. Plötzlich wussten sie, wen sie verloren. Sehr beeindruckend war die Menge an Leuten und Autos im Dorf. Berührend die Gruppe Türken, die da standen und dem Begräbniszug nachsahen. Ihnen hatte er als Einziger Wohnungen vermietet. Zu weit überhöhtem Preis natürlich, aber immerhin. Wo nix is kimmt nix hi.
Bei den Reden sagten sie, dass es ein Wunder sei, wie er aus dem Nichts alles geschaffen hat mit diesen Wurzeln. Und was für ein Großartiger er gewesen sei. Ein Studierter sagte, das es kein Wunder sei, sondern das nur aus solchen Wurzeln so was Gewaltiges entstehen konnte.
Über seiner Alm ist da der ganz große Felsen, viel größer als das größte Haus. Da droben steht ein ganz einsamer Baum. Eine prächtige Fichte, keine schönere weit und breit. Ganz stolz, hoch aufragend, schlank und stark. Die Fichte schlechthin. Wer näher kommt, der sieht die Wurzeln. Sie krümmen sich noch, als wäre in der Kindheit der Unterschenkel gebrochen. Man sieht, dass der Baum in frühen Jahren ganz ganz arm war, dass er gerade noch überleben konnte da oben auf dem Stein. Er war ganz alleine, kein Kontakt zu den anderen Bäumen da oben auf dem kargen Felsen. Vorgezeichnet ein früher Tod des arg verkrümmten Baumes. Da gelang es einer einzigen Wurzel plötzlich, über den Felsen hinunter auf sehr fruchtbaren Boden zu stoßen. Von da an ging's ganz schnell bergauf. Der Baum wuchs stolz und hoch. Der höchste und schönste weit und breit. Genau über der Alm vom Josef. Wer sie sieht, der ist sehr beeindruckt. Die die näher kommen und die Wurzeln sehen, sagen oft 'die Wurzeln passen nicht zum Baum'. Manche sagen ' der Baum passt nicht zu den Wurzeln'. Aber viele sagen 'beeindruckend diese Wurzeln und der tolle Baum'.
Wenn sie mich lassen täten, tät ich seine Asche auf die Wurzeln von seinem Baum streuen. Da gehört sie hin.
Wo nix is kimmt nix hi. Ganz selten aber doch.
An Johann, meinem langjährigen Freund aus dem Ötztal.
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