Choose your language

English (32) Deutsch (22) Español (12) Português (8) Slovak (7) Hungarian (6) Croatian (5) Française (4) Czech (1) Italiano (1) Romanian (1)

Tuesday, January 29, 2013

Umgestaltung einer Mädchenkiefer - German only

Article written for the magazine of Bonsaiclub Deutschland.

Umgestaltung einer Mädchenkiefer

von Walter Pall
walter-pall.de

Mädchenkiefern sind in Deutschland sehr beliebt, mehr noch als Schwarzkiefern. Leider sind diese Bäume in Mitteleuropa nicht sehr beständig. Es gibt sehr viele Bonsaienthusiasten, die die Baumart nicht lange halten können. Die Gründe sind unbekannt. Aber es ist Tatsache, dass ein sehr hoher Prozentsatz früher oder später zu schwächeln beginnt. Einige Nadelbüschel werden hell grün statt wie vorher dunkel- bis blaugrün. Dann werden es immer mehr und einige sind dann gelb. Bei den gelben sterben die Nadeln ab und diese Ästchen sind dann tot. Es folgen immer mehr. Der Baum stirbt langsam von unten nach oben. Viele meinen, es handelt sich um eine Pilzerkrankung. Fungizide nützen jedoch leider nicht. Nach spätestens drei Jahren ist der Baum dann endgültig erledigt oder wegen ganz großer Schäden wertlos. Das trifft ganz besonders Sämlinge, also solche Mädchenkiefern, die auf eigenen Füßen stehen. Die meisten importieren Pfropfungen auf Schwarzkiefer sind etwas härter. Trotzdem gibt es einige Gärtner, die über viele Jahre kein Problem mit der Baumart haben. Bei genauem Hinsehen machen die aber auch nichts anderes als der Rest.

 Ich selbst habe in ca. dreißig Jahren wohl mehr als zwei Dutzend Mädchenkiefern verloren ohne zu wissen warum. Die Baumart war dann lange Zeit für mich tabu. Eines Tages erhielt ich in einem Großtausch die hier gezeigte Kiefer. Ich fand sie deutlich besser als die allermeisten, die hierzulande zu sehen sind.. Tatsächlich war es ein Baum, der in Italien gegen stärkste Konkurrenz schon viel Preise gewonnen hatte. Der Baum sah auch sehr gesund aus, für eine Mädchenkiefer allemal. Trotzdem hatte ich gemischte Gefühle; ich wollte es jedoch noch einmal wissen.

 Der Baum kam im September 2009 zu mir und war überall blaugrün. Er wurde im Freien ohne großen Schutz überwintert, weil ich wusste, dass Mädchenkiefern das sehr gut aushalten, ja geradezu mögen. Ab Anfang April wurde, wie bei allen anderen Bäumen kräftig mineralisch mit hohem Stickstoffanteil gedüngt. Der Baum sprach sehr gut darauf an. Im Mai wurde dann mit einer Hand voll getrocknetem Hühnermist gedüngt. Gegen Ende Mai wurde dann eine Seite das Baumes hell grün. Mir schwante ganz schlimmes. Ähnliches hatte ich bei Zirbelkiefern erlebt, die ja auch fünfnadelig sind, also nahe verwandt mit der Mädchenkiefer. Die Zirbelkiefer hatte ich erfolgreich mit zusätzlichem Spezialdünger behandelt, der sehr viele ganz seltene Mineralien enthielt, die nicht in allen Düngern vorhanden sind. Ein Bonsaifreund gab mir den Tipp, noch zusätzlich mit viel Eisen zu düngen. Ja wie - mit Eisen? Nun, es gibt im Fachhandel ganz dünn gemahlenes Eisenpulver, das speziell für Düngung angeboten wird und gar nicht viel kostet. Mangels genauer Anweisungen streute ich zwei Esslöffel voll auf die Erdoberfläche der Mädchenkiefer und dasselbe auch bei meinen Zirbelkiefern. Das Eisen wurde danach beim Gießen eingewaschen. Tatsächlich - drei Wochen später wurde alles wieder dunkel grün. Seither mache ich das dreimal in jeder Vegetationsperiode und unbedingt eine Woche nach kräftiger organischer Düngung. Dasselbe geschieht bei mir übrigens auch mit allen Azaleen. Auch da mit großem Erfolg.

 Meine Theorie: die Bäume wollen kräftig gedüngt werden und lieben organischen Dünger. Um das Düngeangebot auch gut abzuarbeiten, benötigen sie einige oder mehrere der sehr seltenen Mineralien im Boden. In Mitteleuropa fehlt meistens dieser Anteil. Deshalb sterben, ja man kann wirklich sagen, krepieren so viele Mädchenkiefern langsam an Mangelerscheinungen. In einigen Gärten, entweder im Boden oder im Wasser sind diese geforderten Substanzen zufällig enthalten und da gedeihen die Bäume sehr gut, ohne dass der Besitzer eine Ahnung hat warum. Durch zusätzliche Düngung mit seltenen Mineralien und insbesondere Eisen kann man diesen Mangel beheben.Das ist natürlich eine Theorie. Aber nun ist das bei mir schon drei Jahre sehr gut gegangen, was sonst immer, in jedem einzigen Fall, zu schleichendem Tod geführt hat. Da könnte wohl was dran sein.

 Zusätzlich zu lebensbedrohenden Mangelerscheinungen scheint mir noch ein anderer Grund für das Schwächeln von Mädchenkiefern vor zu liegen. Wenn sie importiert werden, stehen sie ausnahmslos in reinem Akadama. Das tut ihnen erst einmal gut, birgt aber eine große Gefahr. Das Akadama zerfällt, wenn es nass ist und tiefen Temperaturen ausgesetzt wird. Selbst im Glashaus frieren Wurzelballen bei uns im Winter regelmäßig ein, im Freien sowieso. Dadurch wird nach zwei bis drei Jahren das Akadama ein hartes, dichtes Pulver, das bei Nässe patzig wie Lehm ist und kaum Luft and die Wurzeln lässt. Wenn man die Bäume dann umtopft, ist da ein Wurzelballen, der hart wie Zement ist. Viele trauen sich nicht, den Wurzelballen auf zu brechen und setzen den Baum mit dem fast ganz intakten festen Ballen wieder in die Schale. Das wird dann immer schlimmer und eines Tages ersticken die Wurzeln. Wenn der Baum dann kränkelt, ist jedes Umtopfen mit starker Ballenlockerung gefährlich und kann dem Baum dann den Rest geben. Also wird es unterlassen. Was man dann auch macht, es kann zum Tod führen.

 Mein Rezept dagegen ist, es auf keinen Fall so weit kommen zu lassen und so bald wie möglich den Baum aus der Schale zu nehmen und den Wurzelballen vorsichtig auf zu brechen. So viel Akadama wie möglich sollte entfernt werden. Ich würde jedoch auf keinen Fall mit dem scharfen Wasserstrahl arbeiten, sondern bloß mit einem stumpfen Stöckchen oder glattem Metallstift. Dann sollte auf keinen Fall wieder Akadama eingefüllt werden, sondern Substrat, das fest ist und sich nicht zersetzen kann. Das ist dann z.B. Bims, Lavasplit, Blähton und ähnliches. Ich gebe dann 15 bis 20 % groben Torf dazu für Bäume, die eher feuchten Boden wollen, wie die Mädchenkiefer.

Neben der gärtnerischen Herausforderung sind Mädchenkiefern auch künstlerisch anspruchsvoll. Bei den auf Schwarzkiefer stehenden ist oft die Propfstelle problematisch. Der Übergang von Schwarz- zu Mädchenkiefer erfolgt zu abrupt und wirkt unharmonisch. Leider kann man davon ausgehen, dass sich dieser Fehler nicht beheben lässt; im Gegenteil, er wird langsam schlimmer. Deshalb ist es ganz wichtig, bei der Auswahl des Baumes keine Kompromisse ein zu gehen. Die Krone ist regelmäßig traditionell geformt: Alle Äste sind waagrecht, die Etagen wirken wie dichte Wolken, der Aufbau ist regelmäßig nach 'Vorschrift'. Das Ergebnis ist, dass der Baum eben wie ein 'Bonsai' aussieht, also künstlich, im schlimmsten Fall richtiggehend unnatürlich und einer wie der andere. Nun, das ist selbstverständlich Geschmackssache. Wer sich eine solche Mädchenkiefer anschafft, der mag das wohl. Aber man muss es nicht mögen. Es ist durchaus möglich, den Baum zu 'naturalisieren', wie man an meinem Beispiel sieht.

 Als ich den Baum erhielt, dachte ich zuerst, ich sollte ihn so lassen wie er war - ein deutlich 'gemachter', künstlicher Baum mit kräftigen pudelartigen Astetagen, die ganz waagrecht standen - künstlich zweifellos, aber trotzdem gut und so typisch traditionell. Allerdings war das überhaupt nicht mein Geschmack. Für mich war das sicher kein Kunstwerk, sondern gutes Handwerk, eher 'konstruiert', stereotyp, einer aus einer Serie von tausenden. Damit wollte ich nicht zufrieden sein. Irgend wann habe ich mich dann entschlossen, die Vorderseite drastisch zu ändern und zu versuchen, die Krone viel natürlicher zu gestalten. Die Äste wurden nach unten gebogen, die wolkenartigen Astetagen aufgelöst und die gesamte Krone durchsichtig gemacht. Das Ziel war es, einen deutlich älter und reifer aussehenden Baum zu erhalten. Der Betrachter mag selbst entscheiden, ob mir das gelungen ist.
Bild 1: 2009-09:Die Mädchenkiefer war einige Jahre im Besitz von Mauro Stemberger in Italien. Dort hat sie einige große Preise gewonnen. Im Rahmen eines Großtausches fand sie im September 2009 den Weg in meinen Garten. Trotz großer Bedenken habe ich noch einmal den Versuch gewagt.
Bild 2: 2009-09: Der Baum hat einem mächtigen Stamm mit charaktervoller Borke, nicht nur im Teil, der von der Schwarzkiefer stammt, sondern auch in den Mädchenkieferästen. Die Krone ist dicht und beeindruckend. Die Pfropfstelle ist nicht sichtbar. Was soll man da noch besser machen, außer den Baum zu säubern?
Bild 3: 2009-09: Säubern ist in der Tat die erste Aktion. Alle alten Nadeln werden sorgfältig entfernt. Bei den größeren Nadelbüscheln wird auch noch etwas von den neuen Nadeln ausgezupft. So sind dann die Büschel alle fast gleich groß. Kleine, abgestorbene Äste und Stummel werden entfernt. Das ist Routinearbeit im Spätsommer. Lena ist ganz glücklich dabei.
Bild 4: 2009-09: Jetzt sieht das schon recht beeindruckend aus. Bei der Bearbeitung hat sich herausgestellt, dass der Jin nicht echt ist, sondern bloß in ein großes Loch wo ein sehr dicker Ast abgeschnitten wurde, eingeklebt. Die Mädchenkiefer wirkt sehr klassisch und ausgewogen, aber nicht langweilig, wie so viele, durch die leicht unregelmäßige Silhouette und die leichte Schräglage des Stammes.
Bild 5: 2009-09: Nun wird der Baum sorgfältig von allen Seiten studiert. Die Verjüngung des Stammes ist sehr gut, das Nebari ist vielleicht etwas zu wenig herausgearbeitet. Der Aufbau der Äste ist auch von der Seite sehr gut. Die Schale ist deutlich zu eng.
Bild 6: 2009-09: Auch von hinten macht die Mädchenkiefer eine gute Figur. Die Etagen sind klassisch horizontal aufgebaut und wirken wie schwebende Wolken. Der Baum ist sehr gesund, was in Europa leider nicht immer der Fall ist bei alten Mädchenkiefern.
Bild 7: 2010-05: Nach langem Betrachten des Baumes scheint nun diese Ansicht deutlich besser zu ein, als die 'richtige' Vorerdseite. Man fragt sich, ob das nicht schon einmal die Vorderseite war und warum dann der Baum anders eingetopft wurde. Der Grund könnte sein, dass die oberen Äste mächtig auf den Betrachter zu kommen, was man auf dem Foto nicht erkennen kann. Das stört aber nur einen Puristen.
Bild 8: 2011-04: Der Entschluss ist gefasst, die Vorderseite wird geändert. Im Frühjahr 2011 wurde dann versucht, den Baum gegen den Uhrzeigersinn in der Schale zu drehen. Das gelang jedoch nur sehr mäßig. Da stehen mächtige Wurzeln im Wege, die man nicht so einfach kürzen kann. Beim nächsten mal muss die Schale deutlich größer sein. Das Ganze sieht jedoch trotzdem schon ein wenig besser aus.
Bild 9: 2011-09: Im Herbst 2011, zwei Jahre nach Erhalt war es dann so weit. Die Mädchenkiefer wurde zu 100 % gedrahtet. Die klassischen waagrechten 'Wolken' wurden zugunsten von naturnahen, herabhängenden Ästen aufgegeben. Der falsche Jin wurde entfernt; das Loch mit Borke so überklebt, dass man es nur sieht, wenn man weiß, dass es da ist..
Bild 10: 2011-09: Von der neuen Vorderseite aus gesehen, wirkt der Baum nun viel beeindruckender, älter und mächtiger. Die Stammbewegung kommt schön heraus, die Krone hat eine starke Fließrichtung nach rechts. Auch das Nebari wirkt besser von dieser Seite.
Bild 11: 2012-03: Im zeitigen Frühjahr war der Zeitpunkt fürs Umtopfen gekommen. Die alte Schale aus Japan war recht gut, aber nicht nur wegen der Neupositionierung, sondern auch aus ästhetischer Sicht zu klein. Die neue Schale von John Pitt wirkt etwas mächtig, wenn der Baum probehalber in der alten Position eingepflanzt wird.
Bild 12: 2012-03: So sieht das nun deutlich besser aus. Der Wurzelballen wurde ganz sorgfältig teilweise aufgelöst. Mit einem glatten Metallstift wurde viel altes steinhartes Akadama entfernt. Blähton mit etwas Torfzusatz wurde sorgfältig eingearbeitet.
Bild 13: 2012-03: Beim Einsetzen in die neue Schale wurde darauf geachtet, dass der Baum um zwei Zentimeter höher gesetzt wurde. Dadurch kommen schöne Oberflächenwurzeln zu Tage, die unter der Substratoberfläche schlummerten. Die Struktur der Schale reflektiert die Borke.
Bild 14: 2012-04: Die meisten würden einen so wertvollen Baum im Winter gut schützen, damit ihm ja nichts passiert. Mädchenkiefern sind Hochgebirgsbäume, die ähnlich wie unsere Bergkiefern große Kälte sehr gut ertragen. Ich denke, sie brauchen sogar einen harten Winter und lasse den Baum ungeschützt an der Hausmauer stehen. Auch den Katastrophenwinter 2011/12 hat er so munter überlebt.
Bild 15: 2012-09: Jetzt wirkt die Mädchenkiefer 'fertig'. Der ganze Baum ist zwar noch immer gedrahtet, er erscheint aber nicht mehr frisch gestaltet. Nachdem die Nadeln vom Vorjahr gezupft waren, präsentiert er sich sehr elegant trotz seines mächtigen Stammes. Das Nebari ist jetzt sehr schön und die Schale passt gut. Nun muss bloß noch der unterste linke Ast noch etwas zulegen.
Bild 16: 2012-09: Vor schwarzem Hintergrund wirkt jeder Baum viel dichter. Die Krone sollte dauerhaft ein wenig durchsichtig gehalten werden. Die klassischen dichten 'Wolken', die unnatürlich wirken, sollten vermieden werden. Sie machen den Baum jung, während eine transparente Krone ihn leichter und älter erscheinen lässt.

Sunday, January 27, 2013

Die naturalistische orientalische Hainbuche - German

Die naturalistische orientalische Hainbuche
von Walter Pall
http://walter-pall.de/


Jeder kennt die europäische Hainbuche (Carpinus betulus). Sie ist mit Recht einer der beliebtesten heimischen Bäume für die Bonsaigestaltung. Die orientalische Hainbuche (Carpinus orientalis) ist jedoch noch weithin unbekannt. Sie ist ganz hervorragend als Bonsai geeignet: Die Blätter sind sehr klein, im Sommer hell grün, im Herbst leuchtend gelb; das Nebari ist meist gut bis sehr gut; der Stamm und die Äste wachsen immer charaktervoll; die Hainbuche ist winterhart; solange sie vor strengem Frost und vor allem vor Spätfrost geschützt wird; sie wächst gerne in kleinen Gefäßen; auf aggressive Wässerung und reichliche Düngung spricht sie außerordentlich gut an; in wenigen Jahren kann eine ganz dichte Krone geschaffen werden. Die orientalischeHainbuche kommt in Südosteuropa in eher trockenen Gegenden vor, sie gedeiht jedoch im deutschen Klima prächtig.

Die vorgestellte Hainbuche wurde von einem Mann in Kroatien gefunden, der folgendes zu mir sagte :"Die Kollegen nehmen riesige Büsche mit ganz langen Ästen und schneiden die kurz und klein. In wenigen Jahren entstehen so unglaublich gute kleine Bäume. Ich bin dazu nicht in der Lage, ich kann in einem großen Strauch keinen Bonsai erkennen. Also musste ich sehr lange suchen, bis ich eine Hainbuche fand, die schon von Natur aus so gestalte war, wie ich mir einen schönen Bonsai vorstelle". Da hat der Mann tatsächlich recht. Normalerweise findet man nie einen 'Bonsai' in der Natur, sondern höchstens Bonsaimaterial. In diesem Fall war das ein einmaliger Glücksfall. Der Baum konnte tatsächlich mehr oder weniger wie gefunden gestaltet werden. Man kann sehen, dass am Anfang doch recht stark geschnitten wurde. Aber es gibt keine zu großen Löcher, die nie zuwachsen werden. Die vorhandenen Wunden werden in wenigen Jahren ganz verschwunden sein.

Das ist also ein Baum für Puristen. In Japan gibt es nämlich eine weitgehende Übereinkunft dahingehend, dass Laubbäume unversehrt, ja geradezu jungfräulich zu sein haben. Große Wunden, Löcher und gar Jins sind verpönt. Wer mich kennt, der weiß, dass mich das geradezu ermuntert, genau das Gegenteil zu tun. Ich habe hunderte Laubbäume mit großen Löchern und mit Totholz gestaltet. Jedoch ist der hier gezeigte Baum für mich auch etwas besonderes.

Trotzdem mag die Hainbuche bei Traditionalisten anecken. Es steht ja ganz genau in schlauen Bonsaibüchern, wie eine Besenform auszusehen hat; jeder weiß das. Dieser Baum hält sich nur bedingt an diese Regeln. Er sieht letztlich eher wie ein wilder Baum in der Natur aus als ein Bonsai. Nun, das war genau war das Ziel der Gestaltung. Es sollte ein echter, natürlich Baum daraus werden, der keine Ahnung von irgendwelchen Regeln hat und einfach wächst wie es ihm gegeben ist. So was nennt man naturalistisch Bonsaigestaltung. Man soll den Eindruck haben, dass der Baum so gefunden wurde und ihn niemals ein Mensch bearbeitet hat. Am besten kann man das erkennen, wenn der Baum in eine echte Landschaft projiziert wird. Ein 'Bonsai' würde dann wie ein Fremdkörper wirken.

Natürlich kann man einwenden, dass die Hand  des Menschen doch deutlich sichtbar ist. Da sind die vielen Wunden; dann ist der Übergang von den abgeschnittenen dickeren Ästen zu der feinen Verzweigung deutlich sichtbar.  In einem internationalen Forum hat einer geschrieben "Was da gezeigt wird ist ja gut und schön, aber verglichen mit großartigen japanischen Ahornen sieht man natürlich einen großen Unterschied in der Qualität. Die Ahorne sind unversehrt und haben eine ganz natürlich wirkende Verzweigung ohne krasse Übergänge und sind insgesamt höchst harmonisch und ansprechend." Nun, das ist wohl richtig. Aber der Baum ist ja beim letzten Bild erst 33 Monate in der Gestaltung. Ich denke, dass es recht bemerkenswert ist, dass es die orientalische Hainbuche zuläßt in so kurzer Zeit einen vorzeigbaren Bonsai zu gestalten. Er steht aber trotzdem erst am Anfang. Die durchaus vorhandenen Fehler geben sich ganz von selbst in den nächsten Jahren. Es ist nicht fair ihn jetzt schon mit Bäumen zu vergleichen, die seit dreißig bis fünfzig Jahren bearbeitet wurden. Man könnte schon eher so einen japanischen Ahorn dagegen stellen, der seit 33 Monaten bearbeitet wurde.

Wenn die Hainbuche noch weiter zwanzig Jahre intensiv gestaltet wird, dann kann sie gerne ernsthaft verglichen werden. Vor dem Wettbewerb  muss sich der Baum dann wohl nicht fürchten.

 Bilder für "Die naturalistische orientalische Hainbuche"
von Walter Pall

Bild 1:  2010-03: Bei einem Seminar der Internationalen Bonsai Akademie in Kastela bei Split in Kroatien wurde dieser Baum gezeigt. Sofort habe ich mich in ihn verliebt und konnte den Besitzer davon überzeugen, dass der Baum bei mir gut aufgehoben war.


Bild 2: 2010-03: In meinem Garten ging es dann gleich los. Zuerst wird der Baum analysiert  indem er mehrfach gedreht wird. Ich will jetzt noch nicht     die endgültige Vorderseite finden, sondern einige mögliche. Der Baum wurde im Frühjahr 2009 ausgegraben. Dafür ist er bereits sehr reichlich verzweigt.





Bild 3: 2010-03: Die Hainbuche hat  prächtige Anlagen, aber es war zu dem Zeitpunkt noch einiges heraus zu schneiden. Zuerst wird weiter gedreht, damit da nichts wegkommt was mir danach leid tut.




Bild 4: 2010-03: Das sieht schon mal gar nicht schlecht aus. Könnte man fast so lassen. Wenn man nicht weiß, welche Vorderseite die beste ist, dann hat man ein Luxusproblem.





Bild 5: 2010-03: Bei der Auswahl wird in erster Linie auf das Nebari geblickt, dann auf das unter Drittel des Stammes und die Position der Äste bzw. Sub-Stämme. Alles andere kann man mit einfachen Mitteln langfristig korrigieren.




Bild 6: 2010-03: Die meisten würden in diesem Stadium auf den oberen Teil der Krone sehen und danach beurteilen. Das ist keine gute Vorgehensweise. Der obere Teil der Krone ist jetzt nicht wichtig, da kommt ohnehin vieles weg.







Bild 7: 2010-03: Das mag jetzt Viele erschrecken. Zu diesem Zeitpunkt ist es leider notwendig, sehr viele Äste zu entfernen, die irgend wann zum Problem werden. Dabei wird von unten nach oben ringsherum gearbeitet. Auf unmittelbare Ästhetik wird jetzt kein Wert gelegt.




Bild 8: 2010-03: Diese Seite sticht mir schon wieder ins Auge. Die dünnen Äste werden bis auf wenige Knospen zurück geschnitten. So entsteht wieder Raum für Zuwachs. Weil dieser Rückschnitt den Baum erst einmal hässlich macht, sieht man kaum jemals Laubbaumgestaltung auf der Bühne.




Bild 9: 2010-03: Die Silhouette war vorher besser. Jetzt wird die Krone absichtlich deutlich verkleinert. Wenn ich die ursprüngliche Krone belassen hätte, dann wäre durch den jährlichen Zuwachs die Krone bald zu groß geworden.






Bild 10: 2010-03: Die zu große Krone müsste man dann in einigen Jahren wieder kräftig verkleinern. Da ist es viel besser, konsequent zu sein. Kurzfristige Schönheit wird geopfert für langfristige Qualität.







Bild 11: 2010-03:   Weil ja bloß geschnitten wurde und nicht gedrahtet kann sofort auch umgetopft werden. Der Baum hat sehr viele kräftige Wurzeln gebildet und kann sofort in eine gute Bonsaischale gesetzt werden. Orientalische Hainbuchen halten das locker aus.





Bild 12: 2010-03: Das ist ein mächtiger Klotz von Wurzelballen. Die meisten würden jetzt ganz vorsichtig mit der Kralle das Substrat entfernen. Das kann man natürlich machen, aber schonender als meine Methode ist es auch nicht.




Bild 13: 2010-03: Außerdem  ist es nicht nötig. Eine scharfe Säge macht das in wenigen Sekunden. Das mag jetzt wieder Viele erschrecken, ist aber ganz professionell.



Bild 14: 2010-03: Auch rund herum kann ohne weiteres mit der Säge gearbeitet werden. Jetzt kann man endlich auch die außerordentliche Qualität des Nebari erkennen.



Bild 15: 2010-03: Nun braucht man ein große Auswahl and Schalen in der richtigen Größe. Der Baum kann sofort in die endgültige Schale gesetzt werden.
Der Wurzelballen passt ganz sicher.




Bild 16: 2010-03: Die Hainbuche hat mehrere gute Seiten, zwei liegen ziemlich genau gegenüber. Deshalb wurde dann diese gewählt. Pawel schaufelt modernes Substrat in die Schale. Die Schale ist von Petra Tomlinson und scheint mir sehr gut geeignet.




Bild 17: 2010-03: Das Substrat besteht in diesem Fall aus Blähton, der mit 20 % grobem Torf angereichert wurde. Es ist jetzt wichtig, dass das Substrat gut in die Wurzeln eingearbeitet wird.



Bild 18: 2010-03: Das sieht doch schon mal gut aus! Nur das untere Drittel des Baumes ist jetzt wichtig. Oben kann man viel verändern, unten kaum etwas. Die Schale wirkt jetzt ein wenig zu groß, aber die Krone wird in Zukunft deutlich größer werden.




Bild 19: 2010-03:  Diese Seite sieht auf Fotos am besten aus. In Wirklichkeit ist sie nicht unbedingt die beste. Das macht aber nichts. Dann wird der Baum eben einfach umgedreht.





Bild 20: 2010-03: Luxusproblem! Sag ich doch. Was ist denn nun die beste Seite? Egal, erst einmal geht es in die Verfeinerungsphase. Ein naturalistischer Bonsai muss von allen Seiten glaubhaft wirken. Es ist erwünscht, dass man sich kaum für die beste Seite entscheiden kann.





Bild 21: 2010-06: Bereits drei Monate nach der Erstgestaltung ist der Baum schon gut vorzeigbar. Das kleine Laub macht sich ganz prächtig. Die Blätter werden sogar noch kleiner, wenn der Baum lange nicht umgetopft wird.




Bild 22: 2010-11: Das ist ja schon sehr erfreulich! Das Laub der orientalischen  Hainbuche ist nicht nur filigran, sondern auch im Herbst sehr schön gelblich und besser als das der europäischen Hainbuche. Die Schale wirkt immer noch etwas zu groß.





Bild 23: 2010-11:  Jetzt kann man erkennen, dass das Nebari eine deutlich andere Farbe hat als der Stamm und die Äste. Es war ja auch unter der Erde. Die Herausforderung besteht nun darin, diesen Fehler über die Jahre zu beseitigen.




Bild 24: 2010-12: Wenn die Blätter ab sind, kann man einen Laubbaum am besten beurteilen. Man sieht leider aber auch jeden Fehler ganz genau. Der wilde, ein wenig ungeordnete Eindruck ist gewollt. Es wird ja kein Bonsai gestaltet, sondern ein Baum.




Bild 25: 2010:12: Zuerst wird in der Krone noch bereinigt, ev. werden auch noch dickere Äste entfernt. Der Neuaustrieb vom vergangenen Sommer wird bis auf zwei oder drei Knospen zurück geschnitten. Die dicken Äste werden mit Zugdraht abgespannt.




Bild 26: 2011-05: Die Krone ist jetzt schon wieder sehr dicht. Der Baum ist so zwar gut vorzeigbar, aber er wirkt trotzdem besser ohne Laub. Bei Laubbäumen muss man sich entscheiden, ob man sie für die Ansicht mit oder ohne Laub gestaltet. Amateure entscheiden sich meist für die Sommer-, Profis für die Winteransicht.




Bild 27: 2011-11: Ja, da kommt Freude auf. Nach bloß zwei Vegetationsperioden ist die Hainbuche schon fast 'fertig'. Nun ja, das Nebari muss immer noch mit Jinmittel angemalt werden, bis es die Farbe des Stammes hat. Und die Krone sollte noch etwas and Umfang und Feinverzweigung zulegen.




Bild 28: 2011-11: Es ist immer noch gut sichtbar, wo die dicken Äste gekürzt wurden. Die neuen Ästchen sind noch zu dünn. Der Fehler gibt sich im Laufe der Jahre ganz von selbst. Für Puristen ist es wichtig, dass dieser Baum keine großen Schnittstellen aufweist.



Bild 29: 2011-11: Zufriedenheit ist der Tod des Künstlers! So gut das auch immer aussieht, das kann noch besser werden. Die dicken Äste sind mit Draht kaum biegbar, mit Spanndraht geht das jedoch recht gut. Es sieht aber vorerst ganz schlimm aus.




Bild 30: 2011-11: Bei der Gestaltung wird immer noch rund herum gearbeitet. Der Baum muss von allen Seiten glaubhaft aussehen. Irgend wann ergibt sich dann die beste Seite von selbst. Es soll ja ein natürlicher Baum entstehen und kein 'Bonsai'.




Bild 31: 2012-12: Das ist dann ein Jahr später der Lohn für die ganz Arbeit. Die Feinverzweigung ist in drei Vegetationsperioden beachtlich fortgeschritten. Die dicken Äste sind gebändigt, aber man merkt es nicht wirklich. Es wirkt als wäre alles von selbst so gewachsen.




Bild 32: 2012-12: Jetzt stört mich immer noch die dunkle Farbe des Nebari. Das wird wieder mit Jinmittel angemalt. Im Sommer scheint die pralle Sonne drauf. Irgend wann wird es die Farbe des Stammes annehmen.




Bild 33: 2012-12: Es sind nun 33 Monate seit der Erstgestaltung vergangen, 42 seit dem Ausgraben. Jetzt ist der Baum bereits reif und kann vorgezeigt werden. Allerdings ist das erst der Anfang. In den nächsten Jahren wird er sich noch deutlich verbessern.



Bild 34: Ob ein Bonsai wirklich gut naturalistisch gestaltet wurde kann man einfach feststellen indem man ihn in eine Landschaft projiziert. Wenn er sich dort problemlos einordnet und nicht als Fremdkörper erscheint, dann handelt es sich um gelungene naturalistische Bonsaigestaltung.