Birnengitterrost bei Bonsai
Walter Pall
Ganz aufgeregt wird meistens über den Birnengitterrost (BGR)diskutiert. Angeblich seien gewisse Wacholdersorten ganz extrem bedroht oder auch ganz gefährlich. Eine Menge von Wissen, Halbwissen und Unwissen wird in die Diskussion hinein getragen.
Ich selber habe mich mit dem Thema seit etwa 18 Jahren beschäftigt. Mein Halbwissen ist dies:
BGR wird in der seriösen Fachliteratur seit jeher aus dem Blickwinkel der Obstbauern und deren Verbündeten gesehen. Die wollen, dass das Übel an der Wurzel angepackt wird. Das ist dann der Wacholder und er soll vernichtet werden. Wacholder haben keine Lobby. Deshalb will auch niemand das Übel and der anderen Wurzel anpacken und die Obstbäume vernichten.
BGR ist, soweit mir bekannt, nicht heilbar, sobald er ausgebrochen ist. Er kann höchstens abgemildert werden. Die Wissenschaft hat sich eingehend damit beschäftigt, den Pilz am Obstbaum zu bekämpfen, aber hat nichts getan um den Pilz am Wacholder zu bekämpfen; außer der Forderung, den Wacholder zu verbrennen. Der Bonsaimensch ist aber in erster Linie am BGR am Wacholder interessiert.
Die meisten Diskussionsteilnehmern meinen, dass BGR so ist wie ein Krebsgeschwür. Er sieht nämlich genau so aus. Man meint also, dass er sich wie Krebs verbreitet und deshalb so gefährlich ist. Nach meinem Halbwissen ist das aber eher nicht so. Der BGR ist am Wacholder selber für den Baum auf dem er sitzt und insbesondere für Nachbarbäume NICHT ansteckend. Wenn der BGR erst einmal im Holz sitzt, dann bleibt er da, wo er ist. Das Holz ist endgültig verdorben und der Pilz kann da nicht bekämpft werden. Es sei denn, man opfert das Holz, tötet den befallenen Baumteil also ab.
Der BGR vermehrt sich, indem der Pilz im Wacholderholz so etwa Anfang Mai bei feuchtem Wetter einee interessant aussehende gelborange Gallerte bildet, die deutlich sichtbar ist und furchterregend, irgendwie giftig wirkt. Möglicherweise ist sie auch giftig, aber ich esse davon immer nur sehr wenig auf einmal. Das ist der Fruchtkörper des Pilzes, der dann schnell abtrocknet und Millionen von trockenen Sporen freisetzt, die dann vom Wind in die Landschaft getragen werden. Irgendwie finden die Sporen dann einen Obstbaum oder ein anders Rosengewächs (Prunus, Malus, Pyrus, Crataegus, Rosa usw.) und setzen sich auf den Blättern und auf die jungen Früchte fest. Dort entwickelt sich wiederum ein Pilz, der deutlich sichtbar auf den Blättern und auf den Früchten ist. Das Obst ist dann zwar nicht endgültig verdorben, es ist sehr wohl noch essbar, aber unansehnlich. Also Tod dem Wacholder! Der Pilz wiederum bringt auf dem Rosengewächs Fruchtkörper aus, die dann Sporen in die Landschaft verschicken, die Wacholder suchen. Die werden auch gefunden und so schließt sich der Kreislauf. Das spielt sich seit Jahrmillionen ab. Der Pilz ist jeweils ein Parasit, aber er töten seinen Wirt nicht, sondern benutzt ihn nur. Im Falle des Wacholders verunstaltet er ihn für den Bonsaimenschen. Das Holz, auf dem er sitzt, wird knollig dick und sieht, eben wie ein Krebsgeschwür aus.
Also was tun? Mein Halbwissen sagt mir, dass der Pilz genau da bleibt, wo er ist und NICHT wandert. Er geht also nicht den Ast oder Stamm hinunter oder hinauf in den Saftbahnen. Schon gar nicht springt er in de Luft irgendwohin. Wenn man das einmal versanden hat, dann ist die Bekämpfung eher einfach: Alle befallenen Teile werden entfernt. Das bedeutet bei Bonsai leider all zu oft, dass der Baum ruiniert ist. Entfernen heißt nicht, dass man das Teil ganz abschneiden muss. Man muss den Holzteil nur töten, also die Rinde vollständig entfernen. Den verbliebenen Holzteil kann man dann oft gut als Totholz verwenden. Dem Pilz wird seine Lebensgrundlage entzogen und er stirbt im Holz ab. Der Wacholder hat fast immer einen Baumteil, der frei von BGR ist. Aus diesem Teil wachsen neue Triebe, mit denen man häufig einen guten Bonsai aufbauen kann.
Was tun bei Neubefall? Nach meiner Erfahrung siedelt sich der neue Pilz IMMER an ganz jungen, dünnen Trieben an. Da erkennt man ihn an einer leichte Verdickung, so als ob der Ast ein Steinchen geschluckt hätte. Anfang Mai erkennt ihn denn jeder Blinde daran, dass an einigen dünnen Ästchen kleine gelbe Quallen sitzen. Der Ast wird dann etwas unter der befallen Stelle abgeschnitten. UND DER BGR IST ERFOLGREICH BEKÄMPFT. Ja, genau so ist es. Der Pilz ist damit erledigt. Der Rest des Baumes wird NICHT befallen. Da ja nur ganz dünne Ästchen befallen werden, entsteht meist kein großer gestalterischer Schaden. Den Verlust eines Ästchens kann man fast immer mit anderen Ästchen kaschieren.
Nach meiner Erfahrung trifft der BGR einige Wacholderarten stärker als andere, einige Varietäten stärker als andere und einige Individuen stärker als andere. Befallen werden fast immer Gartenvarietäten von J. chinensis/viriginiana/sabina. Davon meist eher die gelbgrünen Sorten als die blaugrünen. Es werden fast immer Gartenvarietäten viel stärker befallen als Wildsorten.
Fazit: Bei der Auswahl seines Materials sucht man ganz gezielt nach Exemplaren, die keine oder nur ganz wenige befallene Stellen haben, wenn rings herum stark befallen Wacholder stehen. Dann hat man einen Baum mit starkem Immunsystem, das der auch behält. Wenn man nun aber bereits einen Wacholder mit BGR hat? Dann NICHT entsorgen, sondern die befallenen Stellen vernichten. Was übrig bleibt, kann man oft zu einem neuen Bonsai aufbauen. Übers Jahr hinweg muss der Bonsaifreund immer wieder seine Wacholder auf Befall beobachten.Verdickte Ästchen werden herausgeschnitten. Ganz große Jagdzeit ist in den ersten zwei Maiwochen bei Regenwetter. Dann blüht er Pilz weithin sichtbar und kann restlos aus dem Wacholder geschnitten werden.
Ansonsten? Man kann sich damit vergnügen, die endlosen Debatten über BGR im Internet und beim Arbeitskreistreffen zu verfolgen.
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