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Monday, October 19, 2009

Konstruktive Kritik - German

Sorry, not available in English. Great stuff though, that I found in a photography forum and adapted for bonsai.

Einem Aufsatz in der ‚Schönen Webseite’ der Buxdehuder Fotofreunde http://www.buxtehuder-fotofreunde.de/index.htm nachempfunden. Mit freundlicher Genehmigung des ursprünglichen Verfassers, Thomas Tremmel.


‚Schöner Bonsai’



Ich weiß, ich hab ja selber Schuld. Seit Kurt im Internet ist und seine Bilder auf dieser Bonsai-Plattform „Bonsai Fachforum“ präsentiert, ist es in letzter Zeit schön ruhig geworden. Dieses BFF ist wie ein täglicher Valentinstag für Bonsaimenschen, es werden zu jedem Bonsai nur Blumen verteilt. Ich habe dann den Fehler gemacht, auf seinen Faden, äh.. Thread zu gehen und einen ehrlichen Kommentar zu einem seiner Bonsai zu schreiben.

Ding Dong.

Ich glaube, ich muss mal eben zur Tür, da war wohl jemand mit meinem Kommentar nicht ganz einverstanden.

"Was fällt dir ein, mein tolles Thread durch einen solch boshaften Kommentar zu versauen", brüllte Kurt mich gleich an. "Was ist denn an meinem Kommentar so boshaft? Ich habe doch eine konstruktive Kritik zu deinem Bonsai abgegeben."

Kurt hielt mir einen Ausdruck seines Theads vor Augen, u.a. mit seinem Bonsai und meiner Anmerkung.



Meine Kritik: „Der Baum ist widersprüchlich; das Auge findet keinen Halt, das Totholz ist vor allem auf der linken Seite viel zu wuchtig und der Gegensatz zum feinen Laub macht den Bonsai unglaubwürdig. Mit natürlicher Baumgestalt hat das Ganze nichts zu tun. Das ist ein Phantasiebaum, der weit entfernt ist vom eigentlichen Bonsaiziel, nämlich den idealen, schönen und ultimativen Baum darzustellen. Er will eher vulgär durch Wildheit beeindrucken und mit Gewalt modern erscheinen“

"Das hat nichts mit konstruktiver Kritik zu tun. Wenn du wissen möchtest, wie konstruktive Kritik zu klingen hat, dann hättest du dich nach den anderen Postern richten müssen.“

Ich runzelte die Stirn und sagte: "Also Kurt, da waren doch außer nichtssagenden Floskeln keine hilfreichen Kritiken auf deiner Seite."

Kurt schaute auf seine Seite und erwiderte trotzig: "Aha, und was ist dann das hier? Hier steht gleich deutlich als erste Anmerkung ‚Schöner Bonsai’.

Ich schaute etwas verdutzt: "Und? Was soll denn deiner Meinung nach ‚Schöner Bonsai’ bedeuten?"

Kurt verdrehte die Augen: "Das ist doch wohl oberdeutlich. Aber für dich als bonsaimässigem Beginner erkläre ich das gerne noch mal. ‚Schöner Bonsai’ bedeutet, dass dem Betrachter der Baum sehr gut gefällt, und zwar in Hinblick auf eine beindruckende künstlerische und handwerkliche Ausführung, ein Meisterwerk eben. Kurt verschränkte die Arme und grinste mich an, so auf die Art 'Und nun kommst du'.

Ich blieb ganz ruhig und meinte: "Wo haste denn diese Definition für ‚Schöner Bonsai’ her?"

Kurt verdrehte wieder die Augen: "Was heißt denn hier, wo ich die Definition her habe? Das ist doch wohl klar, was der Ausdruck ‚Schöner Bonsai’ bedeutet. Was soll das denn sonst heißen?"

"Na ja, es ist eigentlich wie bei Beurteilungen oder Zeugnissen. Da steht dann auch ‚Er war stets bemüht‘, was dann soviel bedeutet, dass er eine ziemlich faule Sau war."

"Ach was“, sagte Kurt leicht errötend. Er ging wohl gerade in Gedanken seine letzte Beurteilung durch. "Und was soll dann ‚Schöner Bonsai’ deiner Meinung nach bedeuten?"

Ich machte einen leicht nachdenklichen Eindruck und sagte: "So genau kann ich das jetzt auch nicht sagen, aber ich kann ja mal nachschauen."

"Wo nachschauen?" fragte Kurt.

"Na ja,“ antwortete ich, "dafür gibt es doch die International Guidelines for Bonsai Critiques.. Moment, ich hol die mal eben."

Ich ging in mein Arbeitszimmer und kam nach zwei Minuten wieder zurück. Kurt stand da immer noch mit aufgerissenen Augen. Wusste ich’s doch, davon hatte er noch nie was gehört.

Ich schaute ihn gar nicht an und fing an zu blättern. "So, dann wollen wir doch mal schauen. ‚Schöner Bonsai’ da haben wir es ja schon:
‚Schöner Bonsai’

- Steht dieser Ausdruck alleine als Anmerkung, so ist davon auszugehen, dass der Schreiber dies aus reiner Freundlichkeit und Tradition von sich gibt. Es ist der Ausdruck des Betrachters, der keine gelungenen künstlerischen Ansätze in dem Bonsai sieht und somit auch keine positive Anmerkung von sich geben kann. Da der Betrachter den evtl. zartbesaiteten Autor nicht kränken möchte, benutzt er die nichts sagende Floskel ‚Schöner Bonsai’ Man kennt diese Art auch aus der Kindheit, wenn die Mutter zum Baby sagt: "Hattu schön die Windel vollemacht?" oder auch nach dem "Ersten Mal", wenn die Freundin danach sagt: "Nein, ich find's toll, dass du so früh gekommen bist.“

Der konstruktive Inhalt für eine Baumkritik ist gleich Null.

"Das ist doch Quatsch", meinte Kurt aufgeregt. "Warte, warte, was ist mit dem Kommentar hier ‚Wow, hammermäßiger Baum, der knallt voll rein’."

"Moment, ich schau mal eben. Ah ja, hier haben wir's:
‚Wow’

Steht dieser Ausdruck alleine als Anmerkung, siehe „Schöner Bonsai“

- Steht das Wow in Verbindung mit megageil oder hammermäßig, ist davon auszugehen, dass der Schreiber unter leichtem Drogeneinfluss steht.

- In Ausnahmefällen wird der Zusatz "knallt voll rein" benutzt. Es gilt der o.a. Satz, nur ersetzen Sie das Wort "leicht" durch "schwer".

Der konstruktive Inhalt für eine Baumkritik ist gleich Null.

"Aber hier, dieser Kommentar ist doch wohl voll des Lobes. 'Toll, habe ich auch mal versucht, aber deines ist viel besser.' Das ist doch wohl auch ohne Buch klar."

"Schauen wir mal." Ich versuchte möglichst coole Gesichtszüge aufzusetzen. Jeder Ansatz von Schadenfreude würde Kurt zum Platzen bringen.

Vergleiche mit eigenen Bonsai, wobei der zur Kritik stehende als der bessere betitelt wird.

- Hat der Schreiber einen ähnlichen Bonsai, der deutlich schlechter ist, so würde er dies im Normalfall erst gar nicht anmerken. Finden Sie trotzdem diese Anmerkung, so können Sie davon ausgehen, dass sich der Kritiker über Ihren Bonsai lustig macht und mit seinem Hinweis sagen möchte ‚Schau mal auf meine Seite, wenn du sehen möchtest, wie man es richtig macht, du Birne‘. Da diese ehrliche Kritik beim Gestalter nichts bewirken würde, versteckt man diese Absicht hinter nett zu lesenden Lobesfloskeln.

Der konstruktive Inhalt für eine Baumkritik ist gleich Null.


Kurt nannte mir der Reihe nach weitere Kommentare wie super, geil, fantastisch usw. Die Erklärungen des Buches dazu waren immer sehr einfach, überall stand nur: 'Siehe ‚Schöner Baum’.
Kurt unternahm einen letzten Versuch. "Jetzt aber, dieser Kommentar ist kurz, sehr eindeutig und nicht falsch zu interpretieren: 'Super, das Foto ist echt toll'. Jetzt wollen wir doch mal sehen, was dein schlaues Buch dazu meint."

Blätter, blätter, aha, das war leicht zu finden.
Tolles Foto

- Auf der Erde gibt es verschiedene Fotos, manchmal sogar tolle Fotos. Es gibt auch Bananen, manchmal auch tolle Bananen. Wenn Sie eine Banane fotografieren, haben Sie eine Banane fotografiert. Wenn Sie eine Banane toll fotografieren, haben Sie ein tolles Bananenfoto gemacht.. Das ist völlig unabhängig davon, ob Ihr Objekt gut oder schlecht ist, es bleibt eine Banane. Der Kritiker will damit ausdrücken, dass es nichts Positives an Ihrem Bonsai gibt. Um jedoch trotzdem seiner Kritik einen freundlichen Touch zu geben, lobt er etwas, was mit der Qualität des Bonsai nichts zu tun hat, nämlich das Foto.

Der konstruktive Inhalt für eine Baumkritik ist gleich Null.

Kurt zerknüllte den Zettel mit seinem Bonsai und den Kommentaren und sah ziemlich sauer aus. "Hätte ich mir auch gleich denken können. Die Kommentare glichen doch zu sehr denen von meiner Else, wenn Sie mal wieder irgendeine Anschaffung plant. Aber bei den BFF-Freaks verstehe ich das nicht, die wollen doch nichts von mir, warum dann diese Sülzereien?"

Ich zuckte mit den Schultern und meinte: "Keine Ahnung, vielleicht sehnen sich viele einfach nach ein paar Streicheleinheiten. Ist doch auch nicht sooo schlimm, wenn man es richtig zu interpretieren weiß. Es ist halt nur die Gefahr da, wenn man mal eine richtige Bonsaikritik erhält, dass man das dann persönlich nimmt und die Selbstkritik stark nachläßt."

"Kann mir nicht passieren,“ meinte Kurt, "ich bin immer offen für ehrliche Kommentare."

Jaja, dachte ich, unbedingt.

"Da war doch noch ein weiterer Kommentar auf deiner Seite," bemerkte ich.

Kurts Miene verfinsterte sich ein wenig und er meinte: "Ja, da hat einer einfach ‚Ab in die Tonne‘ geschrieben, aber den habe ich gleich ignoriert, der will doch einfach nur provozieren."

"Ach, den hast du einfach ignoriert und der hat sich auch nicht mehr geäußert?"

"Neinnein“, entgegnete Kurt, "dass ist anders gemeint. Wenn jemand sich so äußert, dann kann man den bei BFF auf IGNORE stellen und dann kann er sich nicht weiter äußern."

Hmm, das ist also bei BFF die Definition von Selbstkritik. Sauberer Laden, was mir nicht gefällt, wird exekutiert.

Kurt grübelte auf einmal ein wenig und meinte dann: "Sag mal, wenn alles das, was positiv klingt, eigentlich negativ ist, dann könnte doch die Anmerkung ‚Ab in die Tonne’ in Wirklichkeit etwas sehr Positives sein.

"Äh, was soll denn Positives an dem Satz ‚Ab in die Tonne’ sein? Das ist doch wohl so klar, das steht hier wohl kaum drin“, sagte ich verdutzt.

"Quassel nicht, schlag lieber das Buch auf, du hast da eh keine Ahnung von."

Na gut, dann wollen wir mal schauen. "Oh ja, da isses."

Kurt verschränkte grinsend die Arme und meinte: "Lies vor, Klugscheißer."
‚Ab in die Tonne’

- Nicht sehr konstruktiv, jedoch mit einer gewissen Bonsaikritikerfahrung als sehr positiv zu werten.

"Hört, hört", sagte Kurt in einem deutlichen Ton.

"Moment, da steht noch viel mehr zu dem Wort.“ Ich las weiter vor.

- Das äußerst Positive an dem Satz ‚Ab in die Tonne’ ist der Umstand, dass es sich dabei um eine knappe, aber sehr ehrliche Antwort handelt, die keinen Spielraum für Interpretationen lässt. Unter ‚Ab in die Tonne’ versteht wirklich jeder ‚Ab in die Tonne’. Leichte Abwandlungen sind "Geh lieber stricken", "Schrott", "Für den A...." usw.

‚Ab in die Tonne’ ist die ehrliche Art für ‚Schöner Bonsai’

"Zeig mal her das Buch", brüllte Kurt. Er blätterte noch etwas darin rum und gab es mir dann relativ unsanft zurück. "Na wartet, da wird jetzt aber einer Kommentare schreiben. Die können sich auf was gefasst machen." Er drehte sich um und ging zu seinem Haus. Da kam ihm der Meyer aus seiner Jodelgruppe mit einem Lächeln auf dem Gesicht entgegen und rief Kurt zu: "Hallo Kurt, ich war gestern mal auf deiner Internetseite bei BFF, wirklich alles sehr schöne Bonsai.

Kurt blieb stehen, lief hochrot an, stemmte seine Fäuste in die Seite und schrie: "ICH HAU DIR DIE SCHÖNEN BONSAI GLEICH UM DIE OHREN, DU FISCHKISTENPENNER!"

Dann ging er weiter zu seinem Haus; der Meyer stand da wie ein begossener Pudel, zuckte mit den Schultern und meinte zu mir: "Was ist denn mit dem los? Hab ich was Falsches gesagt?"

"Ach wo", meinte ich, "Kurt steht halt nicht auf solche Floskeln. Der braucht konstruktive Kritik."

Also, denken Sie bei ihrer nächsten Baumsprechung daran, dass der Gestalter evtl. auch Besitzer des International Guidelines for Bonsai Critiques ist. Seien Sie einfach ehrlich bei Ihrer Baumbesprechung. Es hilft wirklich niemanden Bonsai *schön* zu reden. Und wenn Sie auf IGNORE gesetzt werden, wissen Sie, Kurt hat sich unter einem Pseudonym auch bei anderen Plattformen eingeschlichen.

Und wehe einer schreibt mir jetzt ‚Schöne Geschichte’.

2 comments:

  1. Hallo Walter,
    A really good story... not nicely ;-), however, honestly and your Writing in addition is delightful;-) I have sat laughing while reading the text and could fancy the whole situation of your tree discussion really well. Really well... and not nicely;-)
    saludos
    avicenna

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  2. das erinnert mich ein wenig an einen artikel im artofbonsai...:)

    das grundsätzliche problem, das ich bei
    diskussionen in internetforen sehe, ist die zweidimensionalität der betrachtung, die meiner meinung nach ab einem gewissen level (wenn es über grobe mängel oder gestaltungsfehler hinausgeht) eine fundierte und gerechte kritik gar nicht zulässt.
    abgesehen davon gibt es das angesprochene problem natürlich.

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